Sie haben sich vorgenommen, die Zimmertüren neu zu streichen, eine moderne Garnitur zu montieren oder einfach nur das Schloss zu ölen. Sie stehen vor der Tür, den Schraubenzieher griffbereit, und stutzen: Da ist nichts zu schrauben. Weder am Türgriff noch an der Rosette ist eine Schraube sichtbar. Der Griff scheint wie von Geisterhand am Türblatt zu kleben.
Dieses Szenario bringt viele Heimwerker zur Verzweiflung und führt oft zu roher Gewalt, die Kratzer im Lack oder verbogene Blenden zur Folge hat. Doch in den allermeisten Fällen ist Gewalt unnötig. Die „fehlende“ Schraube ist ein Design-Feature moderner Türbeschläge oder ein Relikt alter Handwerkskunst. Je nach Baujahr und Hersteller (z. B. Hoppe, FSB) kommen unterschiedliche Klemmsysteme zum Einsatz. Dieser Ratgeber führt Sie systematisch durch die Detektivarbeit, um den versteckten Mechanismus zu finden und zerstörungsfrei zu lösen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Madenschrauben-Check: In 90 % der Fälle befindet sich an der Unterseite des Griffhalses ein winziges Loch, in dem eine Inbus-Madenschraube sitzt, die den Griff auf dem Vierkantstift fixiert.
- Das Klick-System (Rosetten): Wenn am Griff nichts zu finden ist, sind die Schrauben oft unter einer aufgeclipsten Abdeckkappe (Rosette) verborgen, die vorsichtig abgehebelt werden muss.
- Spezialfall „Schnellstift“: Moderne Systeme verzichten komplett auf Schrauben und nutzen Klemm-Mechanismen, die durch einen speziellen Entriegelungsstift oder kräftiges Ziehen gelöst werden.
Schritt 1: Die Analyse – Welches System haben Sie?
Bevor Sie Werkzeug ansetzen, müssen Sie herausfinden, womit Sie es zu tun haben. Gehen Sie in die Knie und leuchten Sie mit einer Taschenlampe den Türgriff und die Blende genau ab.
Wir unterscheiden vier Hauptkategorien:
- Die versteckte Madenschraube (Der Klassiker)
- Die aufgeclipste Abdeckung (Rosettengarnitur)
- Der Schnellstift (Werkzeuglose Montage)
- Der Splint (Altbau/Antik)
Fall 1: Die Madenschraube an der Unterseite
Dies ist die häufigste Variante bei modernen Standard-Türklinken. Der Griff wird auf einen Vierkantstift geschoben und dort fixiert.
So gehen Sie vor:
- Suchen: Schauen Sie auf die Unterseite des Türgriffs, nah am Türblatt. Sehen Sie ein kleines, dunkles Loch?
- Werkzeug: Sie benötigen einen Inbusschlüssel (Innensechskant). Meist ist es die Größe 3 mm (selten 2,5 mm oder 4 mm).
- Lösen: Führen Sie den Schlüssel ein und drehen Sie gegen den Uhrzeigersinn.
- Profi-Tipp: Drehen Sie die Schraube nur so weit heraus, bis der Griff locker ist, aber nicht ganz heraus. Diese winzigen Schrauben verschwinden gerne auf Nimmerwiedersehen im Teppichboden.
- Abziehen: Sobald die Schraube locker ist, können Sie den Türgriff einfach vom Vierkant abziehen.
Fall 2: Die Rosetten-Abdeckung (Unterkonstruktion)
Sie haben den Griff entfernt (oder der Griff ist fest mit der Rosette verbunden), sehen aber immer noch keine Schrauben an der runden oder eckigen Blende an der Tür? Dann haben Sie eine Garnitur mit Unterkonstruktion.
Hierbei werden die eigentlichen Schrauben durch eine dekorative Kappe verdeckt. So gehen Sie vor:
- Die Kerbe finden: Untersuchen Sie den Rand der Rosette (meist unten). Oft gibt es eine kleine Aussparung (Demontagenut).
- Hebeln: Setzen Sie einen flachen Schlitzschraubendreher in diese Nut an.
- Wichtig: Legen Sie ein Stück Pappe oder Klebeband unter den Schraubendreher, um das Türblatt nicht zu zerkratzen!
- Drehbewegung: Hebeln Sie nicht mit Gewalt, sondern drehen Sie den Schraubendreher leicht. Die Kappe sollte mit einem „Klick“ abspringen.
- Schrauben: Darunter kommen die Montageplatten aus Metall oder Kunststoff zum Vorschein, die mit normalen Kreuzschlitzschrauben befestigt sind.
Fall 3: Der Schnellstift (Hoppe Quick-Fit & Co.)
Dies ist die modernste Variante, die Heimwerker oft am meisten verwirrt. Hier gibt es wirklich keine Madenschraube und keine Rosetten zum Abhebeln. Der Griff hält durch einen patentierten Klemm-Mechanismus im Inneren.
Erkennung: Der Griffhals hat oft ein kleines Loch an der Seite oder Unterseite, aber kein Gewinde darin. Oder es gibt gar kein Loch.
Variante A: Mit Entriegelungsloch
- Nehmen Sie den beiliegenden Montageschlüssel (ein gebogener Metallstift) oder einen dünnen Nagel/Inbusschlüssel.
- Drücken Sie diesen in das Loch am Griffhals. Dies löst die interne Feder.
- Ziehen Sie gleichzeitig kräftig am Griff.
Variante B: Ohne Loch (Vollstift-Verbindung) Bei manchen Systemen sind die beiden Griffe fest ineinander gesteckt. Hier hilft oft nur kräftiges Ziehen an beiden Griffen gleichzeitig in entgegengesetzte Richtung, eventuell unter leichtem Rütteln. Lesen Sie hierzu im Zweifel die Herstelleranleitung, da rohe Gewalt den Mechanismus zerstören kann.
Fall 4: Der Splint (Die Altbau-Variante)
Wohnen Sie in einem Haus aus der Zeit vor 1960? Dann finden Sie oft keine Schrauben, sondern einen Nagel, der quer durch den Griffhals geht.
So gehen Sie vor:
- Erkennung: Ein kleiner Metallstift steht auf einer Seite des Griffhalses leicht hervor oder ist bündig eingeschlagen.
- Werkzeug: Sie benötigen einen Hammer und einen Durchschlag (ein dünner Metallstift, notfalls ein dicker Nagel).
- Austreiben: Schlagen Sie den Splint von der schmaleren Seite zur breiteren Seite heraus. (Oft ist der Kopf dicker).
- Vorsicht: Sichern Sie den Gegengriff, damit er nicht herunterfällt, wenn der Splint entfernt ist.
Was tun, wenn der Griff festsitzt?
Sie haben die Madenschraube gelöst, aber der Griff bewegt sich keinen Millimeter? Das ist nach Jahren der Nutzung normal.
- Korrosion: Schweiß und Feuchtigkeit lassen Metallteile „verbacken“. Sprühen Sie etwas Kriechöl (WD-40 oder Caramba) in den Spalt zwischen Griff und Rosette und lassen Sie es 10 Minuten einwirken.
- Der Vierkant: Manchmal hat sich die Madenschraube so tief in den Vierkantstift gegraben, dass ein Grat entstanden ist. Wackeln Sie den Griff beim Abziehen leicht hoch und runter, um diesen Widerstand zu überwinden.
- Nicht hämmern: Schlagen Sie niemals mit einem Hammer direkt auf den Türgriff. Das beschädigt das Schloss im Inneren der Tür. Nutzen Sie maximal leichte Schläge mit der Handfläche oder einem Gummihammer.
Montage-Tipp für den Zusammenbau
Wenn Sie die Klinke später wieder anbringen:
- Madenschraube: Ziehen Sie diese fest an. Eine wackelnde Klinke nutzt den Vierkant ab. Nutzen Sie ggf. einen Tropfen Schraubensicherungslack (mittelfest), damit sie sich nicht von allein löst.
- Ausrichtung: Achten Sie darauf, dass die Madenschraube exakt auf die Einkerbung oder die exzentrische Bohrung im Vierkantstift trifft (falls vorhanden). Nur so ist der Griff zugfest gesichert.
Fazit: Logik statt Kraft
Eine Türklinke ohne sichtbare Schrauben ist kein Hexenwerk, sondern meist ein Zeichen für Qualität und Design. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Identifikation des Systems. Ob Madenschraube, Klick-Rosette oder Schnellstift – sobald Sie wissen, wo der Mechanismus sitzt, dauert die Demontage keine zwei Minuten. Nehmen Sie sich Zeit für die Analyse mit der Taschenlampe, bevor Sie den Schraubenzieher ansetzen, dann bleibt die Tür unversehrt.
